Kriegsmarine
Kriegsmarine

Kriegsmarine

Als die Reichsmarine am 21. März 1935 in Kriegsmarine (KM) umbenannt wurde besaß sie insgesamt 6 Schnellboote (S 2 – S 8), die in der 1. Schnellboothalbflottille mit dem Begleitschiff Tsingtau zusammengefaßt waren. Mit Indienststellung von S 9 am 12.6.1935 wurde dieser Verband zur 1. Schnellbootflottille umbenannt. Weitere Boote kamen hinzu, so daß am 1. August 1938 die 2. Schnellbootflottille mit dem Begleitschiff Tanga aufgestellt werden konnte. Beide Flottillen wurden von dem Führer der Torpedoboote (FdT) eingesetzt, der wiederum dem Befehlshaber der Aufklärungsstreitkräfte (BdA) unterstand. Über den weiteren Ausbau der Schnellbootswaffe gab es vor Kriegsbeginn erhebliche Auffassungsunterschiede. So forderte der damalige Flottenchef Carls sogar die Einstellung des Schnellbootbaus, da die kleinen Boote zu sehr vom Wetter abhängig seien und das Boot selbst am Ende seiner Entwicklung stehe. Die ersten erfolglosen Einsätze in Ostsee und Nordsee schienen die Auffassung über eine reine Hilfswaffe zu bestätigen. Im Zuge der Besetzung Norwegens (Unternehmen „Weserübung“) bewiesen zwar beide Flottillen ihren Nutzen in der Unterstützung der übrigen Flotteneinheiten, doch erst mit der Torpedierung des britischen Zerstörers „Kelly“ am 08.05.1940 in der mittleren Nordsee stellten sie ihre Kampfkraft als Torpedoträger unter Beweis.

Schnellboot der 1. Generation

Kurz nach der Offensive im Westen folgten beide Flottillen dem vorrückenden Heer und verlegten an die Kanalküste, um von hier gegen den Abzug der alliierten Truppen aus Dünkirchen zu operieren. Wenig später nutzten sie die günstige Ausgangsposition zum Angriff auf den britischen Geleitverkehr unter der englischen Ost- und Südküste. Geleitet wurden die Einsätze in dieser Zeit direkt vom Führer der Torpedoboote (KzS Bütow) aus seinem in Holland eingerichteten Befehlsstand. Die mit Torpedo und Mine erzielten Erfolge überzeugten auch die bisherigen Kritiker. Dem Auf- und Ausbau der Waffe stand nichts mehr entgegen.

Schnellboot der 2. Generation mit geschlossener Back und hochgezogener Brücke

Im Zuge der Vorbereitungen des Angriffs auf Rußland verlegte die Masse der Schnellboote in die Ostsee, weiter geführt vom FdT. Nur eine Flottille (4. SFltl.) führte den Kampf an der Kanalfront weiter. Nach Ende des Seekrieges in der Ostsee verlegten die Boote im Winter 1941/42 wieder zurück. Allerdings nicht alle wieder in den Kanal – zu groß waren inzwischen die Forderungen an kleine, wendige Kampfmittel im Küstenvorfeld geworden. So ging die 1. SFltl. in das Schwarze Meer, die 3. SFltl. und die 7. SFltl. in das Mittelmeer während die 8. SFltl. nach Nordnorwegen verlegte.
Führung
Sichtbar wurde die Bedeutung der neuen Waffe durch den am 20.04.1942 geschaffenen Führer der Schnellboote (FdS). Die bisher für die Schnellboote verantwortliche Dienststelle FdT wurde aufgelöst, die von dort bislang ebenfalls geführten Torpedoboote traten unter den Befehl des Führers der Zerstörer (FdZ). Der frühere Chef der 2. Schnellbootflottille, KKpt. Petersen, übernahm die Führung der Schnellbootswaffe, um sie bis zum Kriegsende (als KzS und Kommodore) auszuüben.
Dem FdS unterstanden alle Schnellbootsflottillen, die normalerweise aus acht Schnellbooten und einem Begleitschiff bestanden. Er war truppendienstlich dem Flottenkommando unmittelbar unterstellt, operativ dem Marinegruppenkommando West. Er selbst führte bis zum Kriegsende im englischen Kanal, dem Haupteinsatzgebiet der Schnellboote. Scheveningen, von wo aus bereits der FdT den Kampf der S-Boote geleitet hatte, blieb der Hauptgefechtsstand des FdS, wobei jedoch je nach dem Schwerpunkt der Operation, Nebenbefehlsstellen in Wimereux bei Boulogne, Cherbourg, Le Havre oder Den Helder bezogen wurden. Im Winter 1944/45 wurde ein Teil des Stabes nach Sengwarden bei Wilhelmshaven verlegt, der FdS selbst befand sich bei Ende des Krieges in Flensburg.

Schnellboot im Bunker an der Kanalfront

Die auf den übrigen Kriegsschauplätzen eingesetzten Flottillen unterstanden dem FdS zwar weiterhin truppendienstlich, operativ wurden sie jedoch von den örtlichen Seebefehlshabern geführt. Für die Ausrüstung und vor allem die Ausbildung war jedoch auch für diese Flottillen der FdS verantwortlich. Dazu wurde im Verlauf des Krieges – vergleichbar den U-Booten – in der Ostsee eine eigene Ausbildungsorganisation mit anfänglich einer Schulflottille aufgebaut. Sie erweiterte sich später zu einer Lehrbootsdisivison mit 3 Schulflottillen. Neben aktiven Flottillen kamen auch die Schulflottillen in den letzten Monaten des Krieges vor allem in der Ostsee zur Unterstützung der Räumung der deutschen Ostgebiete zum Einsatz.
Bootsentwicklung
Das Schnellboot selbst hatte seit den Anfängen in der Reichsmarine folgende Merkmale: Verdrängungsboot, Leichtmetallkonstruktion mit Holzbeplankung, Dieselantrieb mit 3 Motoren, 3 Wellen, 3 Schrauben, 2 fest eingebaute Torpedorohre, 4 – 6 Minen, Geschwindigkeit bis max. 42 kn bei einem Aktionsradius von 300 sm bei 30 kn Marschfahrt, Besatzung 20 bis 25 Mann. Dieser Typ bewährte sich außerordentlich, er wurde daher ohne revolutionäre Änderungen kontinuierlich weiter entwickelt. So wurden die anfänglich noch offen auf der Back aufgestellten Torpedorohre im Laufe des Krieges fest in die höhere Back eingebaut. Der bei den ersten Booten vor dem Brückenhaus aufgestellte Steuerstand wurde mit S 26 auf das Brückenhaus aufgesetzt, ab 1943 wurde die gepanzerte Brücke (Kalottenbrücke) eingeführt.

Schnellboot der 3. Generation mit Panzerkalotte

Die zuerst geringe Flugabwehrbewaffnung (1 x 2 cm MG) wurde im Lauf des Krieges kontinuierlich – auch zur Abwehr gegnerischer Kanonenboote – verstärkt, bis hin zu 2 x 2 cm (davon eine in der Back als Backflak) und 1 x 4 cm bzw. 1 x 2 cm Vierling und 4 – 6 MGs. Die Motoren steigerten ihre Leistung von anfänglich 1320 PS über 2000 auf 2500 PS (Daimler MB 511), einige sogar auf 3000 PS (MB 518). An Funkausrüstung führten die Boote in der Regel ein HF Sende/Empfangsgerät für Tastfunk sowie ein Telefoniegerät für Sprechfunk mit. Im Verlauf des Krieges wurden noch unterschiedliche Radar-Warnempfänger (Funkmeßbeobachtungsgeräte = FuMB) eingebaut. Aktive Ortungsgeräte kamen außer Versuchsmustern nicht zum Einsatz. Magnetkompaß und Echolot ergänzten die Ausrüstung. Die Größe der Boote entwickelte sich von rund 80 t auf ca. 120 t bei einer Vergrößerung der Abmessungen von 32,4 m Länge, 4,9 m Breite und 1,4 m Tiefgang (S 9) auf 34,94 m , 5,1 m , 1,7 m (S 100).

Rohrzielapparat mit Einspeisung zum lageunabhängigen Torpedoschuß

Insgesamt wurden im Kriege 203 Boote dieses Typs gebaut, davon die Mehrzahl auf der Lürssen Werft Bremen-Vegesack, ein kleinerer Teil bei Schlichting Travemünde und 9 Boote bei der Danziger Waggonfabrik, 122 Boote gingen in dieser Zeit verloren.

1939194019411942194319441945Gesamt
Gebaut8153034386414203
Verlust635216225122

Eine hohe Zahl von Verlusten (54) ist auf Luftangriffe und deren Folgen zurückzuführen.

Beladung mit Ankertauminen
(Nach Angabe von Pieter Noel ist dies der Hafen von Ostende)

Eine Gesamtbilanz der von den Schnellbooten auf den verschiedenen Kriegsschauplätzen erzielten Erfolge, vor allem mit Blick auf Versenkungen / Beschädigungen durch die von S-Booten gelegten Minen, steht noch aus. Unstrittig ist jedoch die hohe Bindewirkung, die die Schnellboote bei den Abwehrkräften des Gegners erreichten sowie die Tatsache, daß die S-Boote – ursprünglich als reine Gelegenheitswaffe angesehen – in den letzten Kriegsjahren neben den U-Booten die einzig verbliebene Offensivwaffe der deutschen Marine waren. Die Taktik paßte sich ebenso wie das Boot im Laufe des Krieges den veränderten Gegebenheiten, vor allem der totalen Luft- und Ortungsüberlegenheit des Gegners an. Von der Lauerstellung auf den Geleitwegen führte sie über die Suche nach Zielen mit Schleichfahrt bis hin zum konzentrierten Einbruch mit Höchstfahrt (Stichansatz) und koordinierter Schußabgabe, dabei mehr und mehr Grenzwetterlagen suchend in denen sie die gegnerische Überlegenheit noch am ehesten ausbalancieren konnte. Ungeachtet der bis in die letzten Kriegsmonate hinein erzielten Erfolge waren die Schnellboote jedoch ohne eigene Luftunterstützung und ohne ausreichende Ortungsmittel (Funkmeß / Radar) nicht mehr in der Lage, noch eine strategische Bedrohung für den Gegner aufzubauen.

Im Steuerstand, links das Sprechfunkgerät

Quellen:
Hümmelchen, Gerhard – Die deutschen Schnellboote im zweiten Weltkrieg, Hamburg 1996
Whitley, Mike – Deutsche Seestreitkräfte 1939 – 1945, Stuttgart 1995
Fock, Harald – Die deutschen Schnellboote 1914 – 1945, Hamburg 2001
(In allen drei Standardwerken sind ausführlich weitere Quellen angegeben)
Fotos: Bundesarchiv – Bildarchiv – Koblenz